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Zitat des Tages
Sille Gautschi
Es kommt nicht auf die Hose an, sondern auf das Herz, das in ihr schlägt.


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Mensch, werde wesentlich



Liebe ist Sprache. In dir finde ich das Ganze (Teil 3)
 Das Transpersonale
Im Tantra geht es darum, im anderen die Person zu sehen und das Transpersonale, das durch die Person hindurchschimmert wie ein glitzernder Hintergrund hinter der unverwechselbaren Gestalt, die sich da gerade vor mir bewegt. Du bist eben nicht nur diese spezielle, einzigartige Hanna, Veronika oder Sophie, sondern auch eine Verkörperung des Wesens Frau. Eine Inkarnation des Weiblichen, ein Avatar von Shakti oder Inanna oder Eva-Maria. Und so wie man für die sexuelle Begegnung die Kleider ablegt, kann man, sollte man vielleicht auch für die Begegnung im Tantra die Kleider des Persönlichen ablegen und einfach zum Mann und zur Frau werden. Shiva und Shakti sind keine Heiligen oder Kitschfiguren des Religiösen, die aussehen wie Statuen, die anstatt zu reden nur noch Jubeln und nach göttlichem (natürlich indischem) Parfum duften, sondern echte Menschen, die eben gerade mal, wenigstens für diese Bewegung, das Formelle, Gesellschaftliche, das Ego und Benimm-dich und Wie-bin-ich-richtig abgestreift haben und jetzt, für diesen Moment nur Mann und Frau sind. Bei vollem Bewusstsein. Sie müssen sich nicht vorher betrinken, um sich zu erlauben nun hemmungslos sein zu dürfen, sie müssen auch sonst keine Drogen zu sich nehmen und sich nicht einmal unbedingt durch Mantren in Trance versetzen. Sie erkennen einander in dem, wer sie sind. Du und ich, mit allen persönlichen Eigenarten, die dich und mich unverwechselbar machen und durch die doch das Transpersonale, Allgemeine, Göttliche hindurchschimmert.

Vielfalt in der Monogamie
Auch die monogam miteinander Verbundenen, die sich auf nur einen Partner, nur eine Person fixieren, manchmal ein Leben lang, widersprechen damit der Forderung nach einer Entdeckung der Transpersonalität in der Liebe keineswegs. Man kann als vielfach Liebender das Persönliche transzendieren und ebenso als monogam Liebender. Für die monogam Liebenden zeigt sich die Entdeckung des Ganzen in der Entdeckung der vielen Facetten des Weiblichen bzw. Männlichen im anderen: In dir finde ich alle Frauen! In dir finde ich alle Facetten des Männlichen! Ich brauche nun nicht weiter zu suchen, in bin angekommen. Dieses Glück mit dem einen ist allerdings leichter zu entdecken und dann dauerhaft zu leben, wenn Mann und Frau in einer solchen Beziehung auch selbst mehrere der vielen Facetten des Weiblichen und des Männlichen leben und nicht nur eine. Ein festgezurrtes Ego, das sich für nur eine Facette entschieden hat, das nur wild, nur zuverlässig, nur empfänglich, nur aktiv, nur beschützend oder sonst eine und nur eine der Facetten des Männlichen oder des Weiblichen hält und sich selbst und dem Partner gegenüber keine anderen zulässt, macht es schwieriger, in einer monogamen Beziehung zu bleiben und dabei Transzendenz zu erfahren. Es sind ja nicht alle zur Askese geboren und dazu, sich mit der Beobachtung des Ein- und Ausatems zu begnügen.

Das Feiern der Polarität
Wenn wir Tantriker nun in den Männern wirklich die Shivas erkennen, die da durch ihre Persönlichkeit hindurchschimmern, und in den Frauen die Shaktis, bleiben wir dann auf ewig in zwei Teile gespalten? So wie diese absurde, widernatürliche Zuweisung von einem Geschlecht an die Dinge? Wo wir beide doch, Mann und Frau, nur zum Zweck der Erzeugung von Vielfalt in zwei getrennt wurden, in Wirklichkeit aber eines sind und ohne einander nicht können! Jedenfalls können wir uns ohne den anderen nicht fortpflanzen, sogar für die künstliche Befruchtung brauchen wir noch das Ei oder den Samen des anderen.
Ich meine, dass der religiöse Kult des Feierns der Polarität, wie er im Tantra praktiziert wird, dem des Feierns der Einheit, wie er etwa in den Sufi-Praktiken geschieht und in anderen monistischen Praktiken, keineswegs unterlegen ist. Eher ist es so, dass das Feiern der Polarität den liebevollen Bezug zum Weltlichen erleichtert, denn die Welt ist voller Gegensätze oder erscheint uns zumindest so: Leben und Tod, hell und dunkel, Gut und Böse, alles scheint sein Gegenteil zu haben und ohne dieses nicht voll verständlich und ganz lebbar zu sein. Im Shiva-Shakti-Kult wird die Vereinigung der beiden ja nicht nur im höchsten der tantrischen Rituale, dem Maithuna gefeiert, sondern schon im Wissen darum, dass du längst in mir bist und ich in dir, in der inneren Hochzeit, auch ohne körperliche Vereinigung. Im Tantra jedoch bleibt das Polare als solches erhalten und willkommen, es muss nicht in der Einheit verschwinden. Es ist gut, dass wir verschieden sind.

Wolf Schneider, Jg. 1952, Studium der Lebenskunst seitdem. Hrsg. der Zeitschrift Connection seit 1985. Hrsg. der Tantra Specials seit 1987. 1994/2004/2007 »Tantra – Spiele der Liebe«/ Tantra – il gioco dell' amore (Rowohlt, DroemerKnaur, Feltrinelli) Kontakt: schneider@connection.dewww.connection.de. Blog: schreibkunst.com
 




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Wolf Schneider

Wolf Schneider, Jahrgang 1952, studierte Naturwissenschaften und Philosophie in München. Schon während seines Studiums begab er sich auf Reisen. Die nächsten Jahre verbrachte er in Europa und Südasien, wo er ab 1976 als buddhistischer Mönch in Thailand lebte und von 1977-1990 Schüler von Osho war. Zurück in München gründete er 1985 die Zeitschrift connection, die noch heute als connection Spirit mit der Sonderheftreihe connection Special erscheint. Seinen 2005 gegründeten Verlag mit integrierter "Schule der Kommunikation" wandelte er Anfang 2008 erfolgreich in eine AG um. Im Connectionhaus veranstaltet er Jahrestrainings unter dem Motto: "Kreativität, Kommunikation und Inszenierung". Mit seiner offenen, ehrlichen und humorvollen Art zu kommunizieren, schenkte er uns ein wunderbares Theaterstück (Zauberkraft der Sprache) und zahlreiche Bücher, die uns Leser in eine spannende Welt der Spiritualität entführen. Sein neuestes Buch: "Das kleine Lexikon esoterischer Irrtümer" erscheint im August 2008 im Gütersloher Verlagshaus.



Zusätzliche Informationen:
» www.wolf-schneider.info

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