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Zitat des Tages
A. Saint-Exupery
Man sieht nur mit dem Herzen gut, denn die wesentlichen Dinge bleiben für die Augen unsichtbar.


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Mensch, werde wesentlich



Bodhisattvas unter uns
Neue ethische Paradigmen breiten sich aus
Sind wir gut? Oder kommt zuerst das Fressen und dann die Moral? Ein tiefes Verständnis von uns Menschen als intelligente Tiere zeigt, dass wir mitfühlend handeln können ohne im Widerspruch zu stehen zu dem, wer wir von Natur aus sind. Es öffnet uns außerdem für neue Formen des Transfers von Weisheit.
Mit anderen mitzufühlen ist unsere tägliche Erfahrung als Menschen. Ich kenne keinen, der nicht mit anderen Menschen – und auch Tieren – mitfühlen würde. Manchmal ist mir das allerdings zu wenig, dann wünsche ich mir, dass dieser Mensch ein bisschen mitfühlender sein sollte – oder nicht gerade mit diesen da mitfühlen sollte, sondern mit anderen. Da passen mir dann die Selektionskriterien nicht, mit wem mitgefühlt wird und mit wem nicht.
Sensibelchen
Oft muss ich bei einer Nachrichtensendung weinen, weil die Menschen so schrecklich sind zueinander, oder auch bei einem Text über menschliches Elend, das hätte vermieden werden können. Dann verzweifle ich oder werde wütend auf den oder diejenigen, die da verbockt haben, dass Menschen oder Tiere leiden müssen. Dann finde ich entweder gut, dass ich so sensibel bin oder es ärgert mich, dass ich so leicht von Gefühlen fortgeschwemmt werde. Oder ich untersuche den Film oder Text daraufhin, was es ist, dass mich da gerade zum Weinen gebracht oder wütend gemacht hat: die künstlerischen Mittel. Und gewinne dabei wieder meine Fassung. Und staune: Wie leicht beeinflussbar sind wir Menschen doch! Und wie selektiv und kulturell beeinflussbar ist unser Mitgefühl.
»Verdientes« Mitgefühl?
Mit der Beeinflussbarkeit kommt die ethische Dimension mit rein: Ist es gut mitfühlend zu sein? Auf den meisten spirituellen Wegen wird das ja gepriesen, und auch in den Religionen. Aber nur mehr oder weniger, und sehr selektiv. Einem Jesus die Füße zu salben ist gut, einen Heiden oder Ungläubigen zu erschlagen eventuell auch. Je nachdem. Es genügt jedenfalls nicht, dass da ein empfindendes Wesen ist, das Glück sucht und Unglück meidet oder Lust sucht und Schmerz meidet, um dafür nach den gängigen religiösen Kriterien Mitgefühl »zu verdienen«. Muss man sich das denn verdienen? Breivik jedenfalls, der jetzt gerade vor Gericht steht, hat's für uns (für unser kulturelles Empfinden) verzockt: Er hat kein Mitgefühl gezeigt, er verdient also auch keins, jedenfalls keine Strafminderung.
Wir sind soziale Tiere
Dann gibt es auch die rein naturwissenschaftliche Betrachtung: Wir empfinden mit anderen Lebewesen mit, weil wir soziale Tiere sind. Wir haben diese Eigenschaft, weil sie sich als biologisch nützlich erwiesen hat. Dort, wo sie biologisch nichts nützt, haben wir sie nicht: wenn wir etwa »Ungeziefer« zertreten oder »Feinde« abwehren – Menschen oder Tiere, die wir als Feinde betrachten, weil wir darauf getrimmt wurden oder so veranlagt sind, das Andersartige als feindlich zu verstehen. Ist das der Punkt, wo eine Ethik der Güte einsetzen »sollte«? Sodass wir dann nicht nur Koalabären schützen wollen, sondern auch Schlangen, und nicht nur unsere eigene Ethnie vor dem Elend bewahren wollen, sondern alle Menschen?
Aufruf!
Deshalb rufe ich jetzt ganz emphatisch zu einer neuen Moral oder Ethik auf, zu einem nun endlich wirklich guten politisch und spirituell korrekten Verhalten! Wer diesem Aufruf nicht folgt, soll sich schämen, oder sogar bestraft werden! Nein, nicht so. Moralische Appelle führen zum Widerstand oder zur Heuchelei, nichts ist damit gewonnen. Besser, ich versuche zu überzeugen. Ich glaube nämlich, dass Achtsamkeit und Mitgefühl quasi automatisch entstehen, wenn wir verstehen wie die Welt und wir Menschen darin beschaffen sind. Normal begabte, nicht extrem geistig behinderte Menschen können verstehen, wie sehr wir mit allem in der Welt verwoben sind. Wer das versteht, wird mitfühlend. Dem Verständnis folgt das Gefühl. Die Einsicht in die Beschaffenheit der Welt und von uns Menschen darin müsste ein mitfühlendes Verhalten zur Folge haben.
Ethik oder Empirie?
Wenn mir das gelingt, hätte ich damit ein uraltes Problem gelöst, nämlich die Frage, ob es sich bei diesem Thema um ein ethisches handelt (die Frage wie es sein soll) oder um eines der Empirie (die Frage wie es ist).
Hier gleich noch eine weitere Überzeugung von mir: Ich glaube, dass wir Menschen als biologisch beschreibbare Wesen (Tiere) immer eigennützig handeln. Eigennützig im Sinne von: unsere Bedürfnisse befriedigend, so gut wir eben können. Wobei die Frage, was unsere Bedürfnisse sind und wie wir meinen, sie befriedigen zu können, jeweils sehr verschieden beantwortet wird. Nur das können wir nicht: Wir können nicht so tun, als seien wir keine Tiere; als hätten wir keinen Körper; als müssten wir nicht atmen und essen; als würden wir keine Kälte und Wärme empfinden und keine Lustgefühle suchen.
Womit die Frage ins ethische Terrain hinüberzuspazieren beginnt: Glauben wir denn, unsere ehrenwerten Bedürfnisse besser allein und gegen die anderer Wesen erfüllen zu können, oder eher mit ihnen? Genau hier wird dann Intelligenz benötigt – oder, anders gesagt: Mitgefühl, denn Mitgefühl ist eine Art emotionaler Intelligenz. Für diese – intelligente – Art der Bedürfnisbefriedigung müssen wir andere spüren können, müssen fühlen können wie es ihnen geht und imstande sein, Solidargemeinschaften zu bilden, die es ermöglichen gemeinsam besser die Bedürfnisse zu befriedigen und Glücksgefühle herbeizuzaubern.
Ich und die anderen
Allein glücklich zu sein, während die Welt um mich herum leidet, das würde nicht funktionieren. Da müsste ich mich abschotten und wüsste dann doch, dass ich mich abgeschottet habe, das geht nicht. Kann ich überhaupt dazu beitragen, dass es anderen Menschen gut geht? Kann ich »der Wandel sein, den ich in der Welt haben möchte«? Ich bin mir dessen nicht sicher. Als ich dieser Tage von dem Aufruhr über Günther Grass' Israel-Gedicht las und dann mit einem Freund und Autoren von uns darüber sprach, erwähnte dieser den israelischen Journalisten und Friedenspolitiker Uri Avnery, mit dem er sich immer wieder über die Ereignisse in der Welt austauscht. Avnery würde seiner Meinung nach den Titel des »Gerechten unter den Völkern« verdienen, wenn es den denn auch für Juden gäbe.
»Gerechte unter den Völkern«
Der 1923 in Deutschland geborene Avnery war 1933 mit seinen Eltern vor den Nazis nach Palästina geflohen. Dort erlebte er die Staatsgründung Israels mit, die oft brutale Durchsetzung der territorialen Ansprüche seines jungen, neuen Heimatlandes und setzte sich immer wieder für Frieden und Verständigung ein und für einen palästinensischen Staat. Womit er sich in seinem Land Feinde machte und sogar Leib und Leben riskierte. Ein »Gerechter unter den Völkern«? Ich hatte nur Halbwissen darüber, schlug in der Wikipedia nach und fand, dass Israel diesen Titel nach seiner Staatsgründung 1948 eingeführt hatte als Ehrentitel für nichtjüdische Einzelpersonen, die im zweiten Weltkrieg während der Nazi-Herrschaft ihr Leben eingesetzt hatten, um Juden vor der Ermordung zu retten.
Wer zu diesen »Gerechten« zählt, wird seit 1963 von einer Kommission unter der Schirmherrschaft der Gedenkstätte Yad Vashem geprüft. Zu den Kriterien für die Anerkennung gehört eine konkrete, sicher bezeugte Rettungsaktion von Juden, ein nachweislich dabei eingegangenes persönliches Risiko, und dass dafür keine Gegenleistung verlangt wurde. Wie viele solche Menschen gab es denn? Trotz systematischer Suche nach diesen »Gerechten unter den Völkern« wurden nur ungefähr 25.000 gefunden, die diesen Kriterien genügten. Unter den weit mehr als 100 Millionen Bewohnern Deutschlands und der von den Nazis besetzen Gebiete ist das auch bei Annahme von zigtausend unentdeckter Helfer weit weniger als ein Promille der Bevölkerung.
Nun stelle ich mir eine Menschenmenge von tausend vor, die alle einem Führer lauschen, der von einem Podium aus spricht und mit seinen Worten die Masse fasziniert. Worte, die zwischen Freund und Feind, Menschen und Unmenschen unterteilen, und unter diesen tausend ist nur einer, der »ein erhebliches persönliches Risiko« eingehen würde, um zum Beispiel ein vor Verfolgung geflohenes Kind bei sich in der Wohnung zu verstecken. Nur einer???
Gutes Karma, schlechtes Karma
Wir Menschen retten zunächst mal vor allem die eigene Haut und sorgen für unser eigenes Wohlbefinden. Damit auch Bedürftige das Lebensnotwendige erhalten und nicht einfach Krepieren oder zu Aufständischen werden, dafür gibt es in den meisten Religionen die Pflicht des Almosengebens. Im Islam gilt sie (Zakat) als eine der fünf Säulen eines gottgefälligen Lebens. Auch im Judentum und Christentum ist Almosengeben eine religiöse Pflicht. Im Buddhismus ist das Dana genannte Geben die Basis des Mönchstums, das über Jahrtausende die Säule der buddhistischen Kulturen war.
Wird da aus Mitgefühl gegeben? Oder eher, um einem Gott zu gefallen, der einen dafür belohnt? Oder, wie in den indischen Kulturen, um gutes Karma zu erwerben? In Sri Lanka und Thailand würden die meisten Menschen eher einem angesehenen, in Wohlstand lebenden Mönch etwas geben als den wirklich Bedürftigen, denn das eine bringt gemäß dem Glauben ihrer Kultur gutes Karma, das andere nicht.
Ein Bodhisattva sein
Ein paar Jahrhunderte nach dem Tod des Buddha entstand in den buddhistischen Kulturen, vielleicht aus Frust über das egoistische Denken der Mönche und der sie Bedienenden, das Konzept des Bodhichitta (Erleuchtungsgeist). Mit diesem Begriff ist die Entschlossenheit gemeint, das Ziel der Erleuchtung nicht aus Eigennutz, sondern zum Wohle aller Wesen zu erlangen.
Auch hier kann man nun wieder versuchen, dem Kodex einer Kultur zu genügen und zu einem solchen »guten Menschen« zu werden, einem Bodhisattva. Oder, viel besser, man versucht, dem Geist dieser Idee zu folgen: Erleuchtung, Freiheit, Erlösung und die Fähigkeit zur bedingungslosen Liebe nicht vor allem selbst zu erlangen, sondern dazu beizutragen, dass alle das erlangen. So wie in der Legende über die Erleuchtung des Buddha. Der habe erst nicht lehren wollen, heißt es, weil er fand, dass die, die bereit sind ihn zu verstehen, die würden es auch ohne ihn verstehen. Und die anderen auch nicht mit ihm. Die Devas (göttliche Wesen) hätten ihn damit rumgekriegt, heißt es, indem sie sagten, es gäbe aber ein paar, die stünden genau auf der Kippe zwischen diesen beiden Arten von Menschen. Die würden es ohne ihn nicht kapieren. Das habe ihn umgestimmt, nun doch »im Körper zu bleiben« und seine Botschaft weiterzugeben. Der Buddha lehrte danach noch vierzig Jahre lang, mit großer Wirkung: Wahrscheinlich hat keine Lehre in der Welt so viele Menschen zu tiefer Einsicht geführt, wie die des historischen Buddha.
Fähren werden Hausboote
Mein Eindruck ist, dass heute viele Bodhisattvas unterwegs sind. Man erkennt sie nicht gleich, sie sehen oft aus wie ganz normale Menschen. Aber sie haben Mitgefühl, auch was den Erwerb von Weisheit und die Begünstigung von persönlichem Wachstum anbelangt. Sie wollen nicht als erste frei, leicht, glücklich und weise werden, sondern eher so, wie nach dem Ehrenkodex aus der Schifffahrt: Der Kapitän verlässt als letzter das Schiff. Eh nicht alle anderen es auch kapiert haben, mache ich mich hier nicht aus dem Staub. Erleuchtung nicht mehr als Egotrip.
Solche eine Art der spirituellen Einstellung würde dem vorbeugen können, was Tschögyam Trungpa einst »spirituellen Materialismus« nannte: die Gefahr, dass aus Fähren Hausboote werden und aus ursprünglich mal befreienden Methoden neue Gefängnisse. So wie erst die Kommunikationstechnik des Buchdrucks einst Renaissance und Reformation ermöglichte, so wird auch die durch das Internet bewirkte Revolution der Kommunikationsmittel eine Revolution der Religiosität bewirken. Eine Revolution, die noch viel umfassender und größer sein wird als die Reformation. Die alten religiösen Hierarchien werden dabei unwichtiger, während das Individuum »mit Netzanschluss« wichtiger wird. Damit verblasst auch das bisherige spirituelle Zweiklassensystem: hier die Brahmanen, dort das einfache Volk; hier die Eingeweihten, dort die nicht Eingeweihten; hier die Erwachten, dort die noch nicht Erwachten.
Identitätsbildende Versuchungen
Man sieht das zum Beispiel an den Problemen, die die Erwachten mit ihrem Ego haben, das da ist und irgendwie doch nicht da ist. So wie bei uns. So haben sich dieses Jahr die Berliner Rainer Griesheimer, Manik Reuter und Romen Banerjee zusammengetan, um den »Zusammenhang zwischen persönlicher Vertiefung des aufgewachten Lehrers und seiner Tätigkeit als Lehrer« zu beleuchten, denn »auch das Leben des aufgewachten Lehrers steckt voller subtiler, identitätsbildender Versuchungen«. Dreißig in Deutschland tätige spirituelle Lehrer haben offenbar schon zugesagt, zu diesem »Forum Erleuchtung« (www.forum-erleuchtung.de), darunter einige hierzulande gut bekannte Namen. Dort geht es dann vermutlich nicht mehr so heilig zu wie sonst oft im Satsang, denn die Initiatoren haben sich zum Beispiel eine Struktur ausgedacht, die Manik mir gegenüber am Telefon »heißer Stuhl« nannte: Drei der Lehrer sitzen in der Mitte, die Konferenzteilnehmer im Kreis um sie herum, und sie können denen in der Mitte mit Fragen stellen, wie das so ist »nach der Erleuchtung«.
So entstehen ganz neue Arten der Inszenierung des Transfers von Weisheit. Neue Antworten auf die alten Fragen: Wie setzt man das Wissen um die Nicht-Zweigeteiltheit der Welt um, ohne dabei wieder neue Zweiteilungen zu schaffen? Wie bringt man Weisheit, Liebe, Mitgefühl in die Welt? Wie schaffen wir es, den Bodhisattva in uns zu erwecken?
Wolf Schneider, Jg. 1952. Autor, Redakteur, Kursleiter. Studium der Naturwiss. und Philosophie (1971-75) in München. 1975-77 in Asien, dann D-land, Italien, USA, Holland. 1985 Gründung der Zeitschrift connection. Seit 2008 Theaterspiel & Kabarett. Kontakt: schneider@connection.de, Blog: www.schreibkunst.com
 




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Wolf Schneider

Wolf Schneider, Jahrgang 1952, studierte Naturwissenschaften und Philosophie in München. Schon während seines Studiums begab er sich auf Reisen. Die nächsten Jahre verbrachte er in Europa und Südasien, wo er ab 1976 als buddhistischer Mönch in Thailand lebte und von 1977-1990 Schüler von Osho war. Zurück in München gründete er 1985 die Zeitschrift connection, die noch heute als connection Spirit mit der Sonderheftreihe connection Special erscheint. Seinen 2005 gegründeten Verlag mit integrierter "Schule der Kommunikation" wandelte er Anfang 2008 erfolgreich in eine AG um. Im Connectionhaus veranstaltet er Jahrestrainings unter dem Motto: "Kreativität, Kommunikation und Inszenierung". Mit seiner offenen, ehrlichen und humorvollen Art zu kommunizieren, schenkte er uns ein wunderbares Theaterstück (Zauberkraft der Sprache) und zahlreiche Bücher, die uns Leser in eine spannende Welt der Spiritualität entführen. Sein neuestes Buch: "Das kleine Lexikon esoterischer Irrtümer" erscheint im August 2008 im Gütersloher Verlagshaus.



Zusätzliche Informationen:
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