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Zitat des Tages
Sille Gautschi
Es kommt nicht auf die Hose an, sondern auf das Herz, das in ihr schlägt.


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Mensch, werde wesentlich



Das Göttliche Paar
Sind wir Menschen oder doch eher, wenn man ganz tief in uns hineinschaut, eigentlich Mensch gewordene Götter? Blöde Frage, schau sie dir doch an, wie sie sich benehmen, möchte der Zyniker in mir antworten und setzt noch eins drauf: Wäre es da nicht besser, ein Tier zu sein als sowas? Die führen wenigstens keine Kriege und bauen keine Atombomben, und einen Jihad gibt es dort auch nicht.
Dennoch sind wir Menschen zu großartigen Leistungen fähig, nicht nur im Krieg, in der Technik und Wissenschaft. Unter Umständen sind wir auch im Zwischenmenschlichen zu logischem Denken fähig. Manchmal sind wir tatsächlich soziale, mitfühlende Wesen, denen nicht nur das Fressen, sondern auch die Moral (heute »Ethik« genannt) wichtig ist. Wir können uns in andere Menschen einfühlen, sogar in Tiere, und einander verstehen. Es gibt nicht nur Konflikt und Kampf in unserem Leben, sondern auch Kooperation und Liebe. Wir sind zu Einsicht und Weisheit fähig, gelegentlich haben wir sogar Humor. Sind wir nicht doch inkarnierte Götter, die nur ihre Herkunft vergessen haben?
Dass Gott uns aus Lehm erschaffen haben soll (den weiblichen Teil aus einer Rippe) ist solch ein Mythos von unserer göttlichen Herkunft. In Indien hingegen sagt die religiöse Tradition, dass einige unter uns Avatare seien, also Götter, die in Menschengestalt auftreten. Wenn wir uns in Süddeutschland und Österreich ein »Grüß Gott« (zusammengezogen aus »Grüß dich Gott«) zuwerfen, sagen wir: Möge Gott dich grüßen! Wie kann es sein, dass ein so hohes Wesen wie Gott mich kleinen Wurm grüßt? Ist vielleicht doch etwas Göttliches auch in mir, dass er mich so locker grüßen lässt, und das (hier in Bayern) gleich mehrfach am Tag?
Das Paar als Quelle und Vorbild
Dass Gott mich erschaffen hat und heute vielleicht sogar noch grüßen lässt, das wurzelt in der Vorstellung unserer westlichen Religionen Judentum, Christentum und Islam. Da gibt es nur einen Gott, und in Zeiten des Patriarchats ist das ein männlicher. Weiter im Osten – in vorchristlichen Zeiten in einigen Kulten auch bei uns – war Gott nicht einer, sondern zwei: ein Paar aus Mann und Frau. Aus ihnen entstand alles. So wie ein Paar Kinder erzeugen kann, so soll es auch die Fruchtbarkeit auf den Feldern bewirken können, sogar das ganze Universum sei in magischer Weise aus der rituellen Vereinigung dieses Paars entstanden! Der Kult von Shiva und Shakti, auch wenn er im engeren Sinn der um ein göttliches Liebespaar ist, im erweiterten Sinn ist er ein Kult um die erste Ursache aller Schöpfung, die in diesem Falle nicht aus einem, sondern aus zweien entstanden sei, aus etwas sich polar Gegenüberstehendem. Auch die alten Kulte des Hierosgamos, der Heiligen Hochzeit, sind Kulte einer solchen göttlichen Zweiheit. Bei der Einweihung eines Herrschers sollte dieser Kult Glück und Frieden ins Land bringen, in dem der zu inthronisierende Regent sich mit einem weiblichen bzw. männlichen Gegenpart vereinigte. Aus dem alten Mesopotamien und Ägypten ist das bekannt, aber auch aus dem keltischen Europa.
In der modernen tantrischen Subkultur wird die Identifikation mit dem Götterpaar Shiva und Shakti zur Erweckung des eigenen höchsten – »göttlichen« – Potenzials verwendet. Der Mann identifiziert sich mit Shiva, die Frau mit Shakti. Theologisch gesehen ist das nichts anderes als die »Imitation Christi« (imitatio Christi) im mittelalterlichen und neuzeitlichen Christentum, nur dass eben dabei nicht ein einzelner, männlicher Erlöser imitiert werden soll, der zudem im konventionellen Christentum als sexlos dargestellt wird, sondern ein ineinander verliebtes Paar. In Tibet wird das Göttliche Paar in sexueller Vereinigung dargestellt, ikonografisch in der yabyum-Stellung (was übersetzt schlicht Vater-Mutter heißt). Wenn wir in der sexuellen Vereinigung uns mit Shiva und Shakti identifizieren, geben wir dem Akt dadurch also eine sakrale Bedeutung.
»Oh, mein Gott«
Die Götternamen anzurufen allein bringt uns allerdings so wenig, wie ihre Anrufung beim Fluchen Schaden anrichtet, oder wie der Ausruf »Oh, mein Gott« im Orgasmus uns in den Himmel heben könnte – in dem wir dann für ein paar irdische Minuten doch immerhin schon sind.
Wie wir im menschlichen Beziehungsalltag und unserem Liebesleben die sakrale Dimension entdecken und den Kontakt dazu aufrecht halten können, damit beschäftigt sich Connection Tantra. Es das 91. in der Reihe unserer Specials, die sich seit Beginn mit den Themen Liebe, Sexualität, Natürlichkeit, Körperlichkeit und Weisheit beschäftigen, und damit, wie wir im Alltag das Heilige finden können.

Wolf Schneider, Jg. 1952, Studium der Lebenskunst seitdem. Hrsg. der Zeitschrift Connection seit 1985. Hrsg. der Tantra Specials seit 1987. 1994/2004/2007 »Tantra – Spiele der Liebe«/ Tantra – il gioco dell' amore (Rowohlt, DroemerKnaur, Feltrinelli) Kontakt: schneider@connection.de, www.connection.de, blog: schreibkunst.com

 




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Radio-Interview mit Wolf Schneider:
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Wolf Schneider

Wolf Schneider, Jahrgang 1952, studierte Naturwissenschaften und Philosophie in München. Schon während seines Studiums begab er sich auf Reisen. Die nächsten Jahre verbrachte er in Europa und Südasien, wo er ab 1976 als buddhistischer Mönch in Thailand lebte und von 1977-1990 Schüler von Osho war. Zurück in München gründete er 1985 die Zeitschrift connection, die noch heute als connection Spirit mit der Sonderheftreihe connection Special erscheint. Seinen 2005 gegründeten Verlag mit integrierter "Schule der Kommunikation" wandelte er Anfang 2008 erfolgreich in eine AG um. Im Connectionhaus veranstaltet er Jahrestrainings unter dem Motto: "Kreativität, Kommunikation und Inszenierung". Mit seiner offenen, ehrlichen und humorvollen Art zu kommunizieren, schenkte er uns ein wunderbares Theaterstück (Zauberkraft der Sprache) und zahlreiche Bücher, die uns Leser in eine spannende Welt der Spiritualität entführen. Sein neuestes Buch: "Das kleine Lexikon esoterischer Irrtümer" erscheint im August 2008 im Gütersloher Verlagshaus.



Zusätzliche Informationen:
» www.wolf-schneider.info

Weitere Texte von W. Schneider:
» www.schreibkunst.com


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