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Zitat des Tages
A. Saint-Exupery
Man sieht nur mit dem Herzen gut, denn die wesentlichen Dinge bleiben für die Augen unsichtbar.


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Mensch, werde wesentlich



Dankbarkeit / Dankbare Rebellen
Warum Dankbarkeit gut ist, sie uns aber nicht am Aufstand hindern sollte
Ja sagen und alles gut finden, weil man unfähig ist zur Kritik, das ist es noch nicht. Echte Dankbarkeit basiert auf einem tiefen Ja zum Leben, wie es ist. Aus dieser Tiefe heraus kann sie, wo nötig, den veränderbaren Umständen auch ein klares Nein entgegen schleudern.
Danke zu sagen, wenn man etwas bekommt, ist etwas, das Kinder überall in der Welt lernen müssen. Jedenfalls in den bürgerlichen und kleinbürgerlichen Familien ist das so, vielleicht bleibt diese Ausbildung den Inuit- oder den Yanumami-Kindern ja erspart. Wehe, wenn dann ein Besuch kommt, der den Kindern etwas schenkt, und sie sagen nicht artig danke, vielleicht weil sie dazu zu schüchtern sind oder diese Woche nicht schon zum dritten Mal Bonbons bekommen wollen. Die ob solcher »Unerzogenheit« peinlich berührten Eltern schimpfen dann mit ihren Kindern, damit das nicht wieder vorkommt. Soweit die frühe Erziehung zur Dankbarkeit.
Später, wenn das so erzogene Kind sich auf den Weg der Sinnfindung und Menschwerdung begibt, den spirituellen Weg, entdeckt es, dass Dankbarkeit dort als eine der höchsten Tugenden geschätzt wird. Gottes Schöpfung so hinzunehmen, wie sie ist, gilt als wahre Gottesliebe. Die Existenz so anzunehmen, wie sie ist, zeigt wahre Freiheit von Gier (Habenwollen) und Ablehnung (Weghabenwollen). Nur das Ego will, dass die Welt anders ist als so, wie sie ist. Das wahre, tiefe, hohe oder höchste Selbst hingegen ist beglückt über die Zustände und dankbar. So jedenfalls lautet das Märchen von der Heiligen Dankbarkeit.
Dankbarkeit ist nützlich, ...
Wahr an diesem Märchen ist, dass Dankbarkeit als Lebenshaltung dem, der sie praktiziert, zunächst mal bessere Chancen auf Lebensglück bietet als Undankbarkeit. Und das ist nicht nur deshalb so, weil Dankbarkeit gesellschaftlich hoch angesehen ist, sondern auch, weil es sich gut anfühlt, mit dem Vorhandenen nicht nur einverstanden zu sein, sondern es zu wertschätzen oder – die dritte, höchste Stufe – sich davon beschenkt zu fühlen. Es gibt ja so vieles, womit wir beschenkt werden! Zum Beispiel mit unserem beweglichen, empfindsamen Körper, der Atemluft und dem Sonnenschein. Die Aufmerksamkeit darauf zu richten, macht glücklicher als sie auf das zu richten, wofür man bezahlen muss. Es macht glücklicher und ist gut für die Gesundheit. Hier geben sich die gute Erziehung und eine in vernünftiger Weise eigennützige Anwendung der Dankbarkeitspraxis freundlich die Hand.
… kann aber auch tief gehen
Dankbarkeit kann aber viel mehr sein als das. In ihr verbirgt sich eine Lebenshaltung, die das Menschenleben, auch das eigene, nicht als kosmischen Fehler empfindet, als etwas, zu dem wir verflucht oder per Karma verdammt sind, sondern als Glück. Wobei in diesem Glück eine Pendelbewegung zum Unglück hin (und wieder zurück) impliziert sein darf. Das Glück darf also sozusagen ein Metaglück sein, ein Einverstandensein damit, dass unsere Laune und unser Wohlbefinden schwanken, und dass auch dieses Schwanken und Schwingen mit zum Glück gehört. Ein solches tiefes Empfinden von Dankbarkeit dem Leben gegenüber kennen wir zwar alle aus den glücklichen Momenten unserer Kindheit, als Erwachsene aber ist es meist eher das Ergebnis eines längeren, oft auch schmerzlichen Werdens und Reifens. Ein Reifen, das vermeidbares von unvermeidbarem Leiden unterscheidet und keineswegs passiv in der Betrachtung von Gottes Werk versunken ist, sondern das unerwünschte Zustände tatkräftig verändert. Wobei solches Engagement umso wertvoller ist, manchmal auch umso wirksamer, je tiefer es in einer grundsätzlichen Dankbarkeit dem Leben gegenüber verwurzelt ist.
Mitspielen dürfen
Auch ich bin ein von unserer Wirtschaftsform und unserem Geldsystem geprägter Mensch und empfinde doch das, was nicht bezahlbar ist, als wertvoller als das Käufliche. Mich mit meinem Körper lustvoll bewegen zu können, gute Luft zu atmen und an einem Nachtmittag im Januar die Wärme der Wintersonne auf meiner Haut zu spüren, dafür muss ich nicht bezahlen, das bekomme ich geschenkt. Auch körperliche und seelische Berührungen bekomme ich, mal abgesehen von einer eventuell gefühlten Pflicht zu Gegenleistung, geschenkt.
Es gibt aber noch viel mehr als diese wertvollen kleinen Geschenke am Wegesrand, nämlich eine Lebenshaltung, die aus einer Perspektive entsteht, die das Ganze als wertvoll ansieht. Mich erwischt diese Sichtweise zum Beispiel in Situationen, in denen ich Menschen zuschauen darf, ohne allzu sehr mit dem Gelingen meines eigenen Projektes (zum Beispiel einem Einkauf fürs Mittagessen) beschäftigt zu sein. Da empfinde ich die Menschen als Spieler auf einer Bühne, auf der sie nicht das Stück eines anderen, sondern sich selbst aufführen, so als wären sie bezahlte Spieler in einer grandiosen, weltumspannenden Show, die »Das wirkliche Leben« heißt (oder auch sowas wie »Das Spiel der Spiele«, sonst geht ja keiner hin). Und ich darf dabei sein, mitten drin, ohne mir dafür Theaterkarten kaufen zu müssen!
Hauptfigur sein
Diese Show ist sogar interaktiv, so wie diese modernen Computerspiele, ich denen ich als Avatar vorkomme und als solcher gewinnen kann. In »Das wirkliche Leben« aber darf ich wirklich mitspielen, mit meinem ganzen, echten Körper, nicht nur als Avatar! Mal nur als Statist, Claqueur, Kunde, Lieferant oder Stimmvieh, so wie das in den politischen und wirtschaftlichen Spielen der Fall ist, mal auch in einer der Hauptrollen – im Privaten ist die Chance für eine Hauptrolle etwas größer.
Und ich kann das Ganze sogar so betrachten: Eigentlich bin ich immer die Hauptfigur! In meinem Leben bin ich der Held, egal ob ich gewinne oder verliere, und auch dann, wenn ich für das größere Spiel nur eine Statistenrolle abbekommen habe. Alles ist Teil der Show. Alles, was ich erlebe, sind Stationen auf meiner Heldenreise und gehören mit zum Film. Und für diese Show brauche ich keinen Eintritt zu bezahlen, sie wird mir geschenkt.
Aber … bin ich auch im richtigen Film? Wenn das Spiel nicht so ausgeht, wie ich will und mich meine Mitspieler befremden, komme ich mir vor wie im falschen Film. Diese Zweifel gehören aber mit zur Rolle der Hauptfigur. Sie sind also richtig, und sie wollen richtig gut aufgeführt werden. Dankbarkeit dem Leben gegenüber ist das Gefühl im richtigen Film zu sein. Auch wenn in diesem, meinem Leben so manches schief geht: Es ist mein Leben, mein Film, und ich bin darin die Hauptfigur.
Das echte Leben – kostenlos
Ich schaue so gerne den Wolken am Himmel zu, wie sie vorüberziehen. Manchmal löst sich auch eine einfach auf – weg ist sie, und woanders tritt aus dem Nichts heraus eine neue auf. Ich höre so gerne den Vögeln zu und dem Wind, wie er durch die Bäume streicht. Ohne Eintritt zu bezahlen, darf ich all dem zuhören. Und ich sehe die Jahreszeiten vorüberziehen; keine verlangt dafür einen Obolus, obwohl sie ihre Sache doch jeweils richtig groß aufziehen: den Winter mit Schnee, den Frühling mit Blumen und im Herbst die bunten Blätter. Was für ein Aufwand!
Ich darf mir das alles ansehen und sogar mit dabei sein, auf der Bühne. Ich darf atmen, obwohl ich dafür nichts bezahlt habe, keinen einzigen Kubikmeter Luft habe ich bezahlt. Ich darf einen Fuß vor den anderen setzen, kostenlos. Schon zwei Cent Besteuerung für einen Schritt, und der Euro wäre gerettet. Zum Glück ist noch keiner der Finanzoberen drauf gekommen, wie leicht die Euro-Krise damit gelöst wäre. Ich darf Menschen lächeln sehen, die dafür nichts verlangen, ich habe sie nicht einmal fragen müssen, ob ich ihnen unentgeltlich zusehen darf.
Ich sitze vor einem Spielplatz mit Kindern, könnte ihnen endlos zusehen, wie sie lachen und weinen. Keine Fernsehshow kommt da mit, und ich brauche doch keine GEZ- und für den Sound keine GEMA-Gebühren zu bezahlen. Ich darf meine Hände ins Wasser eines städtischen Brunnens tauchen oder in einen Bach. In so vielen Bächen, Flüssen und Seen darf ich sogar baden, ohne dafür zu bezahlen. Ich darf den Regen auffangen und davon trinken und meine Pflanzen wässern. Ich darf zuhören, wenn du von dir erzählst, was doch so viel faszinierender und echter ist als die Lesung aus dem Roman, die heute Abend hier in der Buchhandlung ums Eck stattfindet und auch noch Geld kostet.
Der reality effect
Auch das darf ich: »Menschen gucken« gehen. In der Fußgängerzone, im Café, beim Einkaufen, in der Bahn und U-Bahn. Sie führen ein Stück auf: ihre Geschichte. Ich darf mir das ansehen, in Echtzeit, vor Ort, aus der ersten Reihe, ohne dass mich einer vorher nach dem Presseausweis gefragt hätte, mit dem man sich doch so gut in Veranstaltungen reinschleichen kann ohne dafür zu bezahlen. Die Veranstaltungen hier, auf der Bühne des echten Lebens, sind zudem deutlich besser als Reality TV. Sie fühlen sich wirklich echt an. Der reality effect ist hier einfach besser als im Fernsehen. Obwohl ich auch hier manchmal kaum glauben kann, dass das echt ist.
Darf ich wirklich in meinem Leben die Hauptrolle spielen, ohne dafür je ein Casting bestanden zu haben? Es ist unglaublich und doch: Was für ein Geschenk! Selbst auf die Gefahr hin, vielleicht eines letzten Tages und Atemzugs daraus zu erwachen und zu merken, dass dies noch nicht das wirkliche, echte Leben war, sondern nur ein vorläufiges. War es vielleicht nur eine Art Generalprobe, der die richtige Aufführung noch folgen wird? Doch mit dieser Unsicherheit kann ich leben. Ich bin schon so oft aus der Rolle gefallen, wenn ich mich im falschen Film gefühlt hatte und bin dabei immer auf eine Ebene tiefer geplumpst; es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn das nicht auch das nächste Mal gelänge.
Die Schönheit der Natur
Mein Vater war Naturforscher. Er liebte die Pflanzen und Tiere, ein bisschen auch die Menschen, vor allem aber die Pflanzen und Tiere. Zudem hatte er das Glück, Biologie studieren zu dürfen. Trotz Unterbrechung durch den Zweiten Weltkrieg konnte er sein Studium abschließen, dann durfte er Forscher sein, sein Leben lang – und wurde dafür auch noch bezahlt. Das Schönste aber war für ihn zuschauen zu dürfen, was die Natur zu bieten hat, und das war endlos viel! Noch heute sagen die Biologen, dass sie nicht einmal ein Viertel aller auf der Erde lebenden Arten von Pflanzen und Tieren registriert, geschweige denn in ihren Eigenheiten aufgezeichnet und verstanden hätten. Während doch schon so viele dieser Arten wieder aussterben.
Oft wird gesagt, dass Naturforscher, vor allem Biologen, nur selten religiös seien, weil sie einfach zu viel wissen über die Natur und die Abstammung des Menschen. Das stimmt aber nur, wenn man mit Religiosität sowas wie Bibelgläubigkeit meint. Das Staunen über die Natur, die Ehrfurcht vor der Größe und Schönheit unseres Biotops und seiner inneren Zusammenhänge (Ökologie) ist bei ihnen viel größer als etwa bei einem typischen Kirchgänger.
Auch bei mir ist dieses Staunen groß. Mindestens einmal bin ich schon davongelaufen, weil ich Angst hatte die Besinnung zu verlieren vor so viel Schönheit.
Wachsen oder schrumpfen
Die für unseren Alltag typische Wahrnehmung ist allerdings eine andere. Unser Blick hat sich verengt auf das, wofür wir Geld einnehmen und ausgeben. Wir sehen vor allem das, womit wir Geld verdienen können und wofür wir von anderen Menschen, die ebenfalls Geld verdienen müssen, bezahlt werden. Was sich unseren Augen, Ohren und Händen dazwischen darbietet, das nehmen wir immer weniger wahr. Eine immanente Eigenschaft unseres gefräßigen Wirtschaftssystems ist eben, immer mehr zu wollen: Wachstum, Wachstum, Wachstum! Unter 3% jährlichem BIP-Wachstum kommt unsere Wirtschaft schwer ins Trudeln; die Zinsen, Mieten, Gehälter und Renten sind dann nicht mehr zu bezahlen. Dieses Wachstum haben wir uns jedoch von der Zukunft geborgt; andere nach uns werden dafür bezahlen müssen.
Da unsere Wirtschaft, um nicht zusammenzubrechen, immer weiter wachsen muss, werden immer mehr Bereiche unseres Lebens finanziell bewertet. Vermutlich wird bald auch die Haushaltsarbeit und das Aufziehen der Kinder finanziell bewertet, bei der Altenpflege ist das ja schon der Fall. So kann das BIP weiter wachsen und uns die Illusion von Fortschritt geben. Auch der Raubbau an der Natur bringt Wachstum – immerhin die Zahlen steigen dabei ja an, die uns die Volkswirtschaftler vorlegen, auch wenn die Lebensqualität währenddessen sinkt. Der Raubbau an der Natur und an unseren Ressourcen, den inneren wie den äußeren, geht so lange weiter, bis das System implodiert. Dann kann wieder aufgebaut werden. Früher erfüllten Kriege die Aufgabe, die Zerstörungen zu besorgen, die dann wieder neues Wachstum ermöglichen.
Weniger Wachstum wäre mehr Lebensqualität. Dafür müssen wir zunächst geistig aus dem Rattenrennen des »immer mehr« aussteigen. Wir müssen uns vorstellen können, dass es auch mit weniger geht. Dankbarkeit für das, was wir haben ohne dafür bezahlen zu müssen, kann dafür den Boden bereiten. Dann können wir zu einer schrumpfenden Wirtschaft übergehen, die uns wieder durchatmen und entspannen lässt. Für die Menschen, Tiere und Pflanzen auf diesem Planeten wäre das eine dringend notwendige Erholung.
Wir sind Naturwesen
Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit, sagte Karl Valentin. Auch die Natur ist schön, und sie macht nicht so viel Arbeit – wenn man sie nur lässt. Wenn wir uns nicht davonstehlen – in die Städte und Büros, zu den Maschinen, in die Geldwirtschaft – dann sind wir mitten drin in der Natur. Aber auch als der Natur Entflohene sind wir immer noch Naturwesen. Wir brauchen das Wasser und die Wärme, wir brauchen Pflanzen und Tiere um uns, Menschen und Berührungen. Bürostühle und Computerbildschirme genügen nicht, um einen Menschen glücklich zu machen. Atmen, Essen, Spielen, Lieben und Geliebt-Werden. Im und am Wasser sein. Schlafen können, wenn wir müde sind. Das ist es, was wir brauchen, und das alles sollte besser nichts kosten.
Fürs Essen zu bezahlen ist vielleicht nicht zu vermeiden, Ernährungsautarkie gibt es fast nicht mehr. Aber wenigstens für das Trinkwasser und die Atemluft, das Lieben und Geliebt-Werden, das Sich-ausruhen-Dürfen sollten wir nicht bezahlen müssen. Wenn ein Auto fährt, kostet es Benzin, wenn es steht Parkplatzgebühr. Wenn ich in einer Stadt bin und müde werde, kann ich mich nirgendwo mehr hinsetzen oder -legen, sondern muss mir ein Getränk oder etwas zu essen bestellen als Sitzplatzgebühr und muss dann bald wieder gehen, der Platz kostet ja Miete, und auch ihn zu pflegen kostet was.
Viele Menschen bezeichnen ihr Gehalt als Schmerzensgeld für das, was sie dort erleiden müssen. Dennoch ist der größte Wunsch vieler von ihnen, nicht gekündigt zu werden, und wer keinen Arbeitsplatz hat, wünscht sich einen. Um dann, wenn es nicht mehr geht, ein Altersruhegeld zu bekommen. Im Rahmen unseres Wirtschaftssystems ist das verständlich; wer dieses Schicksal vermeidet und kein Startkapital für die Selbständigkeit hat, ist fast schon ein Außenseiter. Aber was ist mit dem Drumrum? Wenn wir zu sehr auf das Ökonomische fixiert sind, nehmen wir nicht mehr wahr, was es außerhalb des von Geld Bewertetem noch gibt, und werden dann trotz Arbeitsplatz und Rente unglücklich.
Nie wieder!
Trotz großer Schwierigkeiten wegen der Alterspyramide und der Weltwirtschaftskrise ist Deutschland immer noch ein Sozialstaat. Man geht bei uns relativ glimpflich mit denen um, die irgendwie anders sind als der Mainstream. Trotzdem können wir nicht vergessen, was war. Was unsere Eltern, Großeltern und Urgroßeltern erlebt haben, steckt noch tief in uns. Wie können wir mit Dankbarkeit in einer Welt leben, die Hitler und den Holocaust zugelassen hat? Dürfen wir dankbar sein, dass es gerade uns nicht erwischt hat? Das wäre schäbig und unbefriedigend.
Zwei Mal habe ich Holocaust-Überlebende persönlich getroffen (und interviewt und zu mir eingeladen), und mit meiner Zeitschrift versuche ich auch, der dunklen Seite der menschlichen Natur nicht auszuweichen, damit sie uns nicht plötzlich überrumpelt und beherrscht. Nach den Jahren 1939-45 hat sich ein Großteil der Deutschen gesagt: »Nie wieder!«. Eine Art innerer Schwur wurde da geleistet, meist nur leise, fast heimlich, innerlich, wie ein persönliches Gelübde. Dieses »Nie wieder!« ist auch für mich ein Gefühl, das mich stark bestimmt, in meinem spirituellen Dasein ebenso wie in meinem politischen Handeln. Wir Menschen dürfen sowas nicht zulassen. Wir müssen eine Welt schaffen, in der so etwas Furchtbares nie wieder passieren kann. Darf ich dankbar sein für das, was Helmut Kohl die »Gnade der späten Geburt« genannt hat? Oder dafür, dass ich nicht in Somalia zur Welt gekommen bin oder in den USA in einem der Jahrgänge, die für den Vietnamkrieg rekrutiert wurden?
Dankbarkeit und Scham
Manchmal, beim Essen eines Stückes Brot oder eines Apfels, stelle ich mir vor, wie ein KZ-Insasse das genossen hätte. Diese Gedanken kommen immer wieder, es ist fast schon eine Art Besessenheit. Ist das krank? Ich denke, es ist einfach die kollektive Erinnerung, die auch in mir ist, so wie in meiner ganzen Generation. Auch die Hexenvernichtung steckt ja noch in uns, und die ist viel älter. Ja, wir dürfen dankbar sein, genug zu essen zu haben und in einer politischen Ordnung zu leben, die gerade mal keine Hexen und Ketzer vernichtet. Aber das Eis ist dünn, über das wir da spazieren. Einige Holocaust-Überlebende sagen, dass sie sich schämen überlebt zu haben. Sie hatten Glück im Unglück, ohne so recht zu wissen, womit sie das verdient hätten. Hatte ich Glück, in Deutschland geboren zu sein, in diesem reichen und heute so toleranten Land? Dafür kann man Dankbarkeit empfinden, aber diese Dankbarkeit liegt, was mich betrifft, ganz nahe an der Scham, das nicht verdient zu haben.
Hiob im 21. Jahrhundert
Eine der Geschichten aus der Bibel, die mich schon als Kind sehr stark berührt haben, ist die von Hiob. Wie er mit dem Schmerz und Leid umgeht, das ihn traf, wie er das alles hinnimmt ohne »Gott zu verfluchen« – heute würden wir sagen: ohne auf die Dankbarkeit zu verzichten gegenüber dem, was es trotz allem auch für ihn im Leben an Gutem gibt. Mit den alten Geschichten können wir heute nur noch bedingt was anfangen. Die Metaphern und Begriffe sind nicht mehr dieselben wie damals, aber der Grundkonflikt zwischen »das Leben gutheißen« und »gegen unwürdige Zustände rebellieren« ist noch derselbe. Ein heutiger Hiob würde vielleicht gegen Verlust von Besitz durch Naturkatastrophen eine Versicherung abschließen, in der Hoffnung, sich dann nicht mit deren Vertretern herumschlagen zu müssen, die behaupten, die Katastrophe habe er selbst verursacht. Vielleicht würde er außerdem an Ärzte ohne Grenzen spenden, weil es Menschen gibt, die in Ländern ohne Krankenversicherung von einer solchen Hautkrankheit befallen werden können, wie Gott sie, gemäß der alten Geschichte, ihm schickte, um ihn zu testen. Er würde jedenfalls nicht treudoof darauf warten, dass Gott kraft seiner Allmacht schlimme Zustände in gute verwandelt, sondern selbst anpacken, damit die Welt eine bessere wird. Der heutige Hiob wäre vielleicht ein dankbarer Rebell: ein Mensch, der freudig Ja sagt zum Leben und darin mit aller Kraft das zum Positiven ändert, was er ändern kann. Er würde hinnehmen, was er nicht ändern kann, und ändern, was sich ändern lässt – und er wäre imstande, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Empört euch!
Immer wieder wird denen, die sich gegen unwürdige Zustände auflehnen, vorgeworfen, sie könnten nicht akzeptieren, was der Fall ist – diese in so vielen spirituellen Lehrreden wie ein Mantra wiederholte Formel: »Sei dankbar und akzeptiere, was ist«. Oder sie werden als »Weltverbesserer« verspottet. Dabei ist es doch ganz einfach: Es braucht nur die Intelligenz »das eine vom anderen zu unterscheiden«. Nur? Vielleicht ist das ja gerade das Schwierige. Wenn Sisyphos den Stein hinauf rollt, ist das noch keine wirkliche Weltverbesserung, der Stein rollt ja dann wieder herunter. Sisyphos macht das, um sich selbst zu trösten gegenüber der Sinnlosigkeit des weltlichen Tuns. Vielleicht auch nur, um sich körperlich und geistig fit zu halten: Den Stein hinaufzurollen, spart ihm immerhin die Gebühr für das Fitnessstudio.
Es gibt aber Bereiche, in denen es Sinn macht, sich zum empören, so wie der 93-jährige Stéphane Hessel das in seiner Streitschrift vom Herbst 2010 getan hat. Sich gegen Waffenhändler und Kriegstreiber zu empören, macht Sinn. Ebenso gegen Rohstoffspekulanten, die nun auf Nahrungsmittel setzen, weil das ihnen zur Zeit die größte Chance auf Wertsteigerung bietet; dass sie damit in den Armutsgebieten Hungersnöte auslösen, nehmen sie in Kauf. Gegen Urwaldvernichter und den ernährungsindustriellen Komplex. Gegen die Weltfinanzordnung. Gegen das zwischen den Nationen noch immer ungebrochene Recht des Stärkeren, in schwächere Länder einfach einzumarschieren oder sie zu bombardieren. Gegen die Beschönigung oder Vertuschung von Gewalt. Gegen eine bigotte, menschenfeindliche Moral, mit der von Prinzipienreitern Kleinsünder bestraft, die Großen aber in Schutz genommen und verteidigt werden, weil sie systemrelevant (»too big to fail«) sind.
Rebellion
Dankbare Menschen dürfen nicht nur rebellieren, sie müssen es! Dankbar sollten wir nicht nur gegenüber dem Sonnenlicht sein, dem Wasser, das wir trinken und der Luft, die wir atmen dürfen, und nicht nur gegenüber der Schönheit der Natur, die wir – noch – betrachten dürfen, ohne dafür bezahlen zu müssen, sondern auch gegenüber unserer Fähigkeit, das zu verändern, was wir Menschen verändern können. Im sozialen, politischen und wirtschaftlichen Bereich können wir aus der Welt eine bessere Welt machen, wenn wir als Wähler nicht nur Stimmvieh sind und als Teilnehmer an der Wirtschaft nicht nur leicht verführbare Kunden. Wir dürfen auch dankbar sein gegenüber unserer Fähigkeit, Heuchelei von Wahrhaftigkeit zu unterscheiden und wirkliche Güte vom nur gut Gemeinten. Wir dürfen dankbar sein, dass wir als Menschen mit der Fähigkeit zum Mitgefühl begabt sind und als solche uns gegen soziale Härte empören können, gegen die Abschottung der Reichen auf von Milizen umstellte Inseln des Wohlstands, gegen die Zocker auf den Kapitalmärkten, die ganze Regierungen zu Fall bringen können, wenn ihnen das als lukrativ erscheint.
Dankbare Menschen müssen nicht brav sein. Wir verändern, was wir verändern können, dankbar, dass wir dazu imstande sind. Es ist, was ist, und das ist gut so? Ja, aber auch der Wille zur Veränderung gehört zu dem, was ist und was gut ist, wie es ist. Die Eso-Religion mit ihren Grundsätzen »Es ist, was ist«, »Nimm es an«, »Lerne loszulassen« und »Die Welt, die du erlebst, hast du dir selbst erschaffen« ist mir zu schäfisch kapitalismusfreundlich. Tiefe Spiritualität ist anders. Deshalb hoffe ich, dass unter den Esos und Spiris nun endlich genug Rebellen heranwachsen, die imstande sind, ihre Dankbarkeit dem Leben gegenüber mit ihrer Bereitschaft zur Empörung gegen das Untragbare zu verbinden.
Wolf Schneider, Jg. 1952, Studium der Lebenskunst seitdem. Hrsg. der Zeitschrift connection seit 1985. 2005 Gründung der »Schule der Kommunikation«. Kontakt: schneider@connection.de, Blog: www.schreibkunst.com.
 
 




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Wolf Schneider

Wolf Schneider, Jahrgang 1952, studierte Naturwissenschaften und Philosophie in München. Schon während seines Studiums begab er sich auf Reisen. Die nächsten Jahre verbrachte er in Europa und Südasien, wo er ab 1976 als buddhistischer Mönch in Thailand lebte und von 1977-1990 Schüler von Osho war. Zurück in München gründete er 1985 die Zeitschrift connection, die noch heute als connection Spirit mit der Sonderheftreihe connection Special erscheint. Seinen 2005 gegründeten Verlag mit integrierter "Schule der Kommunikation" wandelte er Anfang 2008 erfolgreich in eine AG um. Im Connectionhaus veranstaltet er Jahrestrainings unter dem Motto: "Kreativität, Kommunikation und Inszenierung". Mit seiner offenen, ehrlichen und humorvollen Art zu kommunizieren, schenkte er uns ein wunderbares Theaterstück (Zauberkraft der Sprache) und zahlreiche Bücher, die uns Leser in eine spannende Welt der Spiritualität entführen. Sein neuestes Buch: "Das kleine Lexikon esoterischer Irrtümer" erscheint im August 2008 im Gütersloher Verlagshaus.



Zusätzliche Informationen:
» www.wolf-schneider.info

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