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A. Saint-Exupery
Man sieht nur mit dem Herzen gut, denn die wesentlichen Dinge bleiben für die Augen unsichtbar.


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Mensch, werde wesentlich



Humor als Flirt mit der Identität --- Narren, verrückte Weise und der Zen-Weg Europas
 
Humor, Weisheit, Mystik und Selbsterkenntnis hängen eng miteinander zusammen. Jeder Mensch, aber auch jede Kultur geht mit diesem Themenfeld ein bisschen anders um. Jedenfalls brauchen wir in Sachen Weisheit uns nicht von Importen aus dem Osten (ex oriente lux) abhängig zu machen, um erhellt, beleuchtet oder aufgeklärt zu werden. Auch hier in Europa können wir fündig werden: im Humor. Denn der ist eine in vieler Hinsicht bessere Art mit unserer schillernden Ich-Identität umzugehen, als so manch steife Methode aus dem Osten
Humor hat man, oder man hat ihn eben nicht. Ach, wie oft habe ich solche Sprüche schon gehört, so als sei dies genetisch vorgegeben oder eine Gnade Gottes, wenn man mit Humor »gesegnet« ist. Dann ist man also von Gott verflucht, wenn das nicht der Fall ist? Obwohl auch ich manchmal Anfälle von Zynismus erleide: So schlimm kann es um diesen obersten Patriarchen auf dem Wolkenthron nicht bestellt sein, dass er die Humorlosen verflucht hätte. Auch die anscheinend Humorlosen können es lernen. So wie man Meditation erlernen kann – genauso leicht und genauso schwer. Zudem ist das, was überschnappende Witzkanonen »humorlos« nennen, oft gar nicht humorlos, sondern nur eine ruhigere, seelisch tiefere Variante des Humors. Humor ist erlernbar, so wie auch Mystik erlernbar ist, das mystische Wahrnehmen und sich Versenken, der süße Kern aller Religiosität. Und mit Mystik meine ich hier kein Löffelverbiegen (Uri Geller), keine Engelsbotschaften (so was Anthropomorphes darf sein, muss aber nicht sein) und auch kein Weichzeichner über der harten Realität, sondern die unverstellte, sozusagen reine, außerbegriffliche, transkonzeptionelle Wahrnehmung.

Humor, dieses mysteriöse Element von Zivilisation, menschlicher Reife, Weisheit und Liebe hat meiner Beobachtung nach sehr viel mit der Identität zu tun, dem Verständnis, das ein Mensch von sich selbst hat, und ist wohl auch deshalb so schwer zu fassen. Schwer zwar, aber nicht unmöglich. Jedenfalls möchte ich das hier versuchen und nenne dazu zunächst drei biografische Quellen, die mir einen tiefen Bezug zum Humor ermöglicht haben. Drei Quellen, aus denen ich viel getrunken haben – nach dem, was meine im bildungsbürgerlichen Sinne humorvollen Eltern mir hierzu gezeigt hatten, denen ich als pubertärer Widerstandskämpfer in Form von Ernsthaftigkeit jedoch erstmal etwas entgegen setzen musste, um ganz eigen werden zu können.

Buddhas Lehre des Nicht-Selbst
Meine erste solche biografische Quelle des tiefen Humors ist Buddha mit seiner Lehre des Anatta, des Nicht-Selbst. Ich fasse das jetzt mal als eine Art Buddha for Dummies so zusammen: Das Ich oder Selbst ist eine Illusion; durchschaue es, dann bist du frei! Das ist die Lehre dieses berühmten Anattavadin (Lehrer des Nichtselbst), des beliebtesten Weisen aller Zeiten, dessen Abbild heute die Wohnzimmer auch der Nichtbuddhisten in aller Welt schmückt. Im Alter von 22 Jahren, als frisch ordinierter buddhistischer Mönch in Thailand, versuchte ich das zu durchschauen und versank immerhin bis in eine Tiefe, in der der Glaube an ein festes Ich für immer verschwand. Der Glaube an ein Ich war verschwunden, aber noch nicht die Ablehnung des Ego, das auch von dort aus mir immer noch als Störenfried der reinen Heiligkeit erschien. In einer solchen gar nicht nondualen, sondern sehr parteiischen Haltung wurzelt das weit verbreitete Ego-Bashing, des Beschimpfen des Egos, das in vielen spirituellen Richtungen eine beliebte Praxis ist. Humor kann da noch nicht so richtig blühen, aber die Basis dafür ist schon mal gelegt: Wer ich bin, dieses Ich scheint eine höchst schillernde Gestalt zu sein, der nie ganz zu trauen ist.

Ramanas Frage »Wer bin ich?«
Die zweite Quelle, aus der ich davor, danach und bis heute trinken durfte und noch darf, war Ramana Maharshis Frage: »Wer bist du?« Die Selbst-Erforschung oder Erforschung des Selbst (self enquiry), die er so unbeirrt, geradezu monoman empfahl, als einzige und zudem völlig ausreichende Methode, um höchste Bewusstheit zu erlangen. Ist das nicht eigentlich dasselbe wie Buddhas Anatta? Stimmt. Zudem war das auch die Frage, die Gurdjieff seinen Schülern empfahl, und die eine Kernpraxis so vieler Sufi-Wege ist. Und die wiederum dasselbe ist wie die Methode des »Ich bin« (Wenn man das rund um die Uhr innerlich zu sich selbst sagt, funktioniert das genauso wie Ramanas Frage). Auch die Ramana-Frage hat mich jahrzehntelang fasziniert, verunsichert, durchgeschüttelt und wieder auf die Füße gestellt, ebenso wie Buddhas Lehre des Anatta, und hat damit die zweite Basis für mein heutiges Verständnis von Humor gelegt.

Oshos »Sei dir selbst ein Witz«
Der dritte, der dann bei mir absahnen durfte (oder eher ich bei ihm), war der indische Mystiker und Meister Osho (1931-1990) mit seinem Motto »Sei dir selbst ein Witz«. Er gab einfach Buddhas der Legende nach letzten Worten »Sei dir selbst ein Licht« einen kleinen Dreh, und schon war dieses Motto geboren, das nun die ernsthafte Selbsterforschung mit einem fröhlichen, verspielten Bezug zur Wirklichkeit verband und so quasi die Brücke zurück zur Welt – und zum Westen schlug. Mit dem enormen Vorteil, dass »Wer bin ich?« nun nicht mehr nur eine mentale Frage war, sondern dass man 'ganzkörperlich', vom ganzen Wesen her, damit spielen konnte. Was Osho mit seiner eigenen Persönlichkeit und Lehre auch ausgiebig selbst tat.

Die Crazy Wisdom Masters
Er reiht sich damit in die Tradition der Crazy Wisdom Masters ein, wozu sicherlich einige der Meister des chinesischen Chan-Buddhismus gehören (der erste von ihnen war Bodhidharma), darunter auch der »lachende Buddha« Hotei, der auf eine Mönchsfigur zurückgeht, die nur oder vor allem durch Lachen lehrte. In diese Kategorie gehören auch etliche tibetische Meister, von Marpa und Milarepa bis hin zu Chögyam Trungpa (1939-1987), vielleicht auch der legendäre Volksheld Drugpa Künleg, eine Art tibetischer Till Eulenspiegel. Außerdem der New Yorker Adi Da (alias Franklin Albert Jones, 1939-2008) und einige der heutigen Satsanglehrer. Wenn sich Osho 90 Rolls-Royces zulegt, ist das ungefähr so, wie wenn Bodhidharma mit Schuhen auf dem Kopf vor den Kaiser von China tritt: Er will damit etwas sagen. Osho ist so wenig Autofetischist wie Bodhidharma missverstanden hat, wozu Schuhe eigentlich da sind. Beide verstehen ihr Verhalten in dem Moment als Kunstperformance, Provokation oder (absurdes) Lehrstück, wie auch immer man das einordnen will, und sich selbst – zumindest in diesem Akt – als Narren, als Humoristen mit einer Botschaft.

Europas Narren
Weise findet man in Europa vielleicht weniger als in Asien, dafür hatten wir die Narren. Ebenso wie Asiens Meister der verrückten Weisheit verletzt der Narr Europas soziale Tabus, provoziert und darf die Wahrheit sagen, die andere, sozial Gebundenere, nicht sagen dürfen: »Kinder und Narren sagen die Wahrheit« – in diesem Sinn ist auch das Kind in Andersens Märchen ein Narr. Warum hat Europa keine so großartigen Traditionen wie den chinesischen Taoismus entwickelt, den ostasiatischen Zen, den indischen Advaita oder tibetischen Dzogchen? Ein ganzer, sonst so stolzer und fortschrittlicher Kontinent ohne eine große Weisheitstradition, gepeinigt von dem üblichen bigotten religiösen Dogmatismus, der Arroganz und Selbstherrlichkeit des Klerus, wie kann das sein?
Europa hat stattdessen aus Fortunas Füllhorn eine etwas größere Portion Humor abbekommen als die anderen Kontinente. Ausgehend von den Gauklern und Narren des Mittelalters bis hin zu den heutigen Humoristen, Kabarettisten, Clowns, Klinikclowns, Lachyogatrainern, Stand-up-Comedians, Improtheaterspielern und Realsatirikern hat sich da 'bei uns' eine unter den Kontinenten einzigartige Humorkultur entwickelt (– für den Zweck dieser Zusammenfassung rechne ich das angelsächsiche Nordamerika zu Europa hinzu, historisch gehört es ja dort hin). Der Flirt mit der eigenen Identität, den diese Humoristen von heute praktizieren, ist sozusagen die ganzheitliche Praxis der uralten spirituellen self inquiry. Nicht mehr nur: »Frage dich, wer du bist!«, sondern: »Probiere es aus, wer du bist! Spiele damit!«

Die Identität des Narren
Dass Gaukler, Narren und Schauspieler von der Kirche einst nicht beerdigt wurden, zeigt, dass die damalige Kirche mehr mit den weltlichen Mächten paktierte als irgendwas mit Weisheit zu tun haben zu wollen. Und dass Gaukler, Narren und Schauspieler außerdem für sich duellierende Bürger der guten Gesellschaft nicht »satisfaktionsfähig« waren, das war kein Schaden, im Gegenteil, es gehörte zu den schöneren Seiten der Narrenexistenz. Sie galten dem normalen Bürger, der nur eine Identität haben durfte und keinesfalls eine schillernde, nicht als vertrauenswürdig. Einerseits ist das lustig und gut so, es berührt aber einen wichtigen Punkt, der auch für die Narren und Spieler von heute höchst relevant ist: Bedeutet das Narrsein denn, keinen Standpunkt zu haben und alles irgendwie gleich gut, blöd oder lustig zu finden? Durchaus nicht, meine ich. Auch der Narr, wenn er denn ein psychisch gesunder oder gar weiser Narr ist, hat eine Heimat- oder Hauptidentität, die er nicht so leicht verlässt, kippt oder durch einen Witz sich aus ihr davonstiehlt. Einfach deshalb, weil jeder Mensch eine Heimat braucht, einen Standpunkt, eine Identität – ein »Profil« würden wir heute sagen – um nicht im negativen Sinne verrückt zu werden.

Kurt Tucholsky
Als Beispiel hierfür nehme ich mal einen meiner liebsten Autoren, der für mich in vieler Hinsicht ein Vorbild war: Kurt Tucholsky. Einerseits ein höchst witziger, charmanter Menschenfreund und Bonvivant, ein Humorist im besten Sinne, war er andererseits ein scharfzüngiger politischer Kämpfer der Weimarer Republik gegen die Reste des großherrlichen Deutschen Kaiserreichs und die aufkommenden Nazis. Als Narr und mit seiner Identität Spielender hatte er sich mehrere Pseudonyme zugelegt, mal schrieb er unter diesem, mal unter jenem Namen und bekämpfte »sich« (seine Hauptidentität) in Leserbriefen sogar selbst. Wenn es jedoch um die Verteidigung eines konsequenten Pazifismus ging (berühmt wurde seine Aussage »Soldaten sind Mörder«) oder um die Demokratie, schwankte er kein bisschen, sondern stand wie eine Eins. Er kämpfte und blieb in Deutschland so lange es noch ging. Auch heute noch kommen mir die Tränen und zugleich packt mich eine kaum bezähmbare Wut, wenn ich wieder lese, wie dieser große Humorist dann angesichts des schier unaufhaltsamen Erstarkens der Nazis Anfang der 30er Jahre publizistisch verstummte und schließlich 1935 – anscheinend an dem Zusammenwirken von mangelndem Lebensmut, Depression, Verzweiflung und verschiedenen Krankheiten – im schwedischen Exil verstarb. Auch wenn wir schillernde Identitäten sind und immer irgendwie auch »ein anderer« sind, wir (Narren und nicht-Narren) dürfen vor den Hitlers der Zukunft nicht verstummen! Und schon gar nicht depressiv einknicken.

Spott versus Humor
Satire hat in Europa eine lange Geschichte. Pietro Aretino (1492–1556), dieser Spötter der Päpste und Könige, war wohl der erste Literat in Europa, der vom Schreiben leben konnte. Wie schaffte er das? Er bedrohte berühmte Persönlichkeiten seiner Zeit damit, über sie zu schreiben, und sie bezahlten ihn dafür, dass er das bitte nicht tun möge. Natürlich lebt solch ein Mensch gefährlich, denn es ist eventuell billiger, einen solchen Spötter ermorden zu lassen, als ihm Schweigegelder zu bezahlen.
Spott ist eben nicht dasselbe wie Humor, auch wenn beides Menschen zum Lachen bringt. Spott bringt uns dazu, über unsere Feinde und Gegner zu lachen, Humor dazu, über uns selbst zu lachen. Ein Spötter muss seine Feinde erkennen und beschreiben können, ein Humorist sich selbst. Beides hängt miteinander zusammen, denn wir Menschen sind, Freund wie Feind, im Grunde einander ziemlich ähnlich, und so setzt beides eine gute Beobachtungsgabe voraus – und doch ist der Unterschied riesig. Mir selbst kann ich kein Schweigegeld bezahlen, wenn mein Alter Ego erkannt hat, was für einen Blödsinn ich da grad heute wieder gemacht habe, oder vielmehr: Es würde nichts nützen, denn ich und ich, wir sitzen im gleichen Boot.

Humor und Weisheit
Humor setzt also Selbsterkenntnis und eine ausreichend genaue Beobachtung von sich selbst voraus, genau das, was die Erkenntniswege spätestens seit Sokrates (»Erkenne dich selbst«) alle erstreben. Humor als die Fähigkeit über sich selbst lachen oder schmunzeln zu können, ist insofern sowohl Resultat wie Voraussetzung von Weisheit, fast scheint er mit Weisheit identisch zu sein. Jedenfalls dann, wenn Humor bei einem Menschen nicht nur in Zeiten guter Laune auftritt, sondern dauerhaft und unerschütterlich in ihm verankert ist, würden wir einen solchen Menschen wohl weise nennen.

Der Dalai Lama
Und wen halten wir für weise? Bei Befragungen nach dem weisesten lebenden Menschen wird seit Jahrzehnten an erster Stelle immer wieder der Dalai Lama genannt. Auch bei Katholiken taucht da nicht etwa der Papst an erster Stelle auf, sondern erst weit abgeschlagen hinter dem weisen Mann aus Tibet. Weil der so humorvoll ist. Weil er sogar als politischer Vertreter seines von China besetzten Landes in schier auswegloser Lage immer friedlich blieb, nie beleidigt ist oder andere beleidigt, trotz allem optimistisch in die Zukunft blickt und lächelt, schmunzelt, witzelt. Ein Mensch, der sein Ego überwunden zu haben scheint und doch eine klare Ich-Identität hat, unverwechselbar, profilscharf, standfest. Aber er spielt mit diesem Profil oder Ego, dieser Ich-Identität, er hat sie, und nicht sie ihn.

Osho
Übrigens war auch Osho nicht beleidigbar. Beide könnte man weise Narren nennen, und es sind sogar beide Tantriker – Tantra als die vielleicht diesseitigste von den spirituellen Grundhaltungen zur Welt. Wobei der Dalai Lama den sogenannten »rechtshändigen« tantrischen Weg vertritt, den regeltreuen, während Osho den »linkshändigen« tantrischen Weg vertrat, den tabubrechenden. Doch auch hier ist das Bild komplexer, wenn man ein Schichtmodell von Identitäten gelten lässt. Außen- und Innen-Identitäten können sehr verschieden sein, und jede Schicht wiederum anders. »Du musst die Regeln erstmal kennen, um sie verletzen zu können« ist eine viel zitierte Aussage des Dalai Lama, und wer mal an einem der Ashrams von Osho gelebt hat, weiß, was für ein strenger Forderer von Regeltreue er sein konnte.
Ach, das Ego ...
Jedenfalls gehört das Ego-Bashing auf den Müllhaufen der Geschichte. Die Ich-Identität als Fiktion zu erkennen ist der erste große Schritt auf dem spirituellen Weg. Diese Fiktion dann aber dafür zu beschimpfen, dass sie fiktiv ist, unbeständig, für nach Festigkeit und Sicherheit Suchende eine Illusion, ist dumm. Der das Ego beschimpfende Teil in einem selbst ist ja immer ein anderer Teil dieses janusköpfigen Ego, es ist nur eine neue Identität, die mich hat (anstatt ich sie). Jede solche Beschimpfung stärkt »das Ego« also, es ist ein aussichtsloser Kampf. Viel besser ist ein schmunzelnd sich distanzierender Umgang damit. Das Ego ist ja nicht schlecht. Im Gegenteil, es ist nützlich und gut. Wenn wir uns mit allem, woran wir hängen, was wir mögen und nicht verlassen wollen, womit wir uns zuhause fühlen und uns »identifizieren können« anfreunden und um die Bedingtheit und Gestaltbarkeit dieser Anhaftung wissen, entsteht kein Streit und kein »ego-transzendierendes Strebertum«, sondern ein Flirt mit sich selbst, mit der eigenen Identität. Das ist Humor. Und wenn diese Haltung Erschütterungen standhält, würde ich sie sogar Weisheit nennen.

»Enlightenment Intensive«
Wie kommen wir da hin? Zunächst mal braucht es eine freundliche Grundhaltung zu sich selbst und zu allem, was man selbst mag und woran man hängt. Nur kein Terror in Sachen »Du musst loslassen« (oder dich selbst überwinden oder »Ach, das ist wieder mein Ego«), diese ollen Eso-Klamotten können wir getrost, ja … loslassen.
Zweitens sollten wir die Frage »Wer bin ich?« nicht nur als etwas Mentales, den Verstand Betreffendes verstehen. Nicht nur Ramanas Fragen, sondern auch der berühmte und viel genutzte »Enlightenment Intensive« Workshop, den der Kalifornier Charles Berner 1968 erfand, um den Selbsterkenntnisprozess zu beschleunigen, fokussiert auf mentale Antworten. Auch an denen kann man hängen, klar. Restanhängsel unerkannter Ich-Identitäten bleiben jedoch auch nach einem solchen Workshop noch hängen, denn sie hängen im Körper, in unserer ganzen Body-Mind-Struktur drin, wie jeder Körpertherapeut nur zu gut weiß, und äußern sich dann im sozialen Miteinander als blinde Flecken. Viel gründlicher mit den eigenen Identitätsmustern aufräumen können wir, wenn wir sie spielen. Und zwar nicht nur in irgendwelchen Theaterworkshops, sondern im täglichen Leben. Es ist ja ein Haufen an Rollen, an wiederkehrendem musterhaften Verhalten, was sich im Lauf eines Lebens in einem Menschen ansammelt, ein schier unerschöpfliches Repertoire. Die erwünschten dieser Muster wollen wir behalten, sie dürfen bleiben. Aber erstmal müssen wir überhaupt erkennen, dass wir sie haben, um entscheiden zu können, ob wir sie behalten wollen. Und dafür reicht Ramanas berühmte Self-Inquiry-Methode als nur mentaler Prozess nicht aus, und auch der Charles Berner Workshop nicht.

Das Urkomische
Drittens braucht es den Verzicht auf die Unterscheidung zwischen dem, worüber man lachen darf und worüber nicht. An der Grenze des »Hier hört der Spaß aber auf!« beginnt der tiefe Humor nämlich erst, alles andere ist noch nicht die wirkliche Weisheitsschule, sondern der Kindergarten. Komisch finden wir ja vieles, gut so, ist gegessen. »Gar nicht komisch« finden wir das andere, das uns ärgert, auf den Keks geht, nervt, das wir weghaben wollen. Auch das komisch zu finden, ist die hohe Kunst. Dafür braucht es eine Perspektivänderung, einen neuen Standpunkt, einen Wechsel der Grundhaltung, und nicht etwa eine neue Ablehnung, die ja nur Widerstände hervorruft, mit denen man dann zu kämpfen hat. Es braucht dazu sowas wie einen Flirt mit der Identität, in der wir uns eingenistet haben, einen liebevollen, erotischen Umgang damit. Dann bewegt sich was. Dann wird das bisher nur Komische – oder im Gegenteil »gar nicht Komische« – zum Urkomischen. Es kann erschütternd, entsetzlich, schockierend sein, alles das, aber es gibt eine Perspektive, aus der es komisch ist. Tragik, Komik, alles nur eine Frage der Perspektive. So ähnlich wie man es auch von der Schönheit sagt, liegt auch das Komische nicht im Objekt, sondern vor allem im Auge des Betrachters.

Im nächsten Leben ...
Mit der Wende von der Ernsthaftigkeit zum Humor habe ich auf meinem spirituellen Weg einen entscheidenden Schritt voran getan. Nichts ist seitdem mehr ganz so wie zuvor – in diesem Leben. Aber was ist mit dem nächsten? Wenn ich denn ein Narr bin, ein heiliger oder unheiliger, egal, eine schillernde Persönlichkeit, wie soll dann die Reinkarnation noch funktionieren? Meine Seele weiß dann ja gar nicht, welcher dieser schillernden Anteile im nächsten Leben wiedergeboren werden soll. Etwa nur die echten? Aber welche sind echt?
Wenn die Reinkarnationsgesetze auch für im Spaß vorgetragene Persönlichkeitsanteile gelten, dann werde ich wohl vielfach wiedergeboren: neben den vielen Teufeln und Engeln, als die ich mich im Lauf meines Lebens erwiesen habe, auch als innerer und äußerer Schweinehund, Esel und Kamel. Wenn diese Gesetze aber nur für ernsthafte Persönlichkeitsanteile gemacht wurden, und nicht für die nur im Jux vorgetragenen, dann … ja, bin ich dann frei? Oder ist auch das wieder nur ein Witz?

Wolf Schneider, Jg. 1952. Autor, Redakteur, Kursleiter. Studium der Naturwissenschaften und Philosophie (1971-75) in München. 1975-77 in Asien. 1985 Gründung der Zeitschrift connection. Seit 2008 Theaterspiel & Kabarett. Kontakt: schneider@connection.de
 




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Wolf Schneider

Wolf Schneider, Jahrgang 1952, studierte Naturwissenschaften und Philosophie in München. Schon während seines Studiums begab er sich auf Reisen. Die nächsten Jahre verbrachte er in Europa und Südasien, wo er ab 1976 als buddhistischer Mönch in Thailand lebte und von 1977-1990 Schüler von Osho war. Zurück in München gründete er 1985 die Zeitschrift connection, die noch heute als connection Spirit mit der Sonderheftreihe connection Special erscheint. Seinen 2005 gegründeten Verlag mit integrierter "Schule der Kommunikation" wandelte er Anfang 2008 erfolgreich in eine AG um. Im Connectionhaus veranstaltet er Jahrestrainings unter dem Motto: "Kreativität, Kommunikation und Inszenierung". Mit seiner offenen, ehrlichen und humorvollen Art zu kommunizieren, schenkte er uns ein wunderbares Theaterstück (Zauberkraft der Sprache) und zahlreiche Bücher, die uns Leser in eine spannende Welt der Spiritualität entführen. Sein neuestes Buch: "Das kleine Lexikon esoterischer Irrtümer" erscheint im August 2008 im Gütersloher Verlagshaus.



Zusätzliche Informationen:
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