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Fasten erfreut sich als ein Weg der körperlichen Reinigung auch in der modernen Gesellschaft einer immer größeren Öffentlichkeit, wenn auch immer noch viel zu wenig, gemessen an der Wirksamkeit. Die Hemmschwelle ist oft die Angst vor Hunger. Doch wenn Sie einmal richtig und sorgfältig fasten, erfahren Sie, dass die Intelligenz des Körpers spätestens nach zwei Tagen auf ein völlig anderes Programm umschaltet. Er hungert keineswegs, sondern greift auf seine eigenen Fettdepots zurück. Gleichzeitig nutzt er die Schonzeit für einen Frühjahrsputz im wahrsten Sinne des Wortes.
Das Fasten ist eine der ältesten uns bekannten Heilmethoden. Schon große Ärzte wie Paracelsus haben damit gearbeitet. Viele Krankheiten, besonders chronische, wie Gelenkentzündungen, Bluthochdruck, Allergien, Neurodermitis, etc. können durch Fasten sehr positiv beeinflusst werden. Der durch den oft hektischen Alltag strapazierte Körper kommt zur Ruhe und kann seine Selbstheilungskräfte aktivieren.
Es wundert also nicht, dass bei der momentanen Entwicklung unseres Gesundheitssystems, Fasten als eine einfache Möglichkeit, selbst Verantwortung für die körperliche Gesundheit zu übernehmen, in aller Munde ist.

Ich möchte jedoch Ihre Aufmerksamkeit auf einen vielleicht noch viel wertvolleren Aspekt des Fastens richten: Fasten kann Ihnen die Tür zu einer sehr erfüllenden inneren Erfahrung öffnen.
Die rechten Umstände sind dabei zu beachten. Es ist empfehlenswert, diese Zeit der Innenschau mit Perioden des Schweigens, Meditation, Achtsamkeitsübungen und Yoga zu begleiten. Denn erfahrungsgemäß begegnen wir nicht sofort der inneren Stille, sondern den oberflächlichen Turbulenzen des Verstandes. Er grübelt, ergeht sich in Essensphantasien und plant eifrig unsere Zukunft. Er versucht, sich mit allen Mitteln abzulenken, denn er fürchtet sich vor der ungewohnten Ruhe.
Geduld und Verständnis sind gefordert. Wenn Sie diese erste Schwelle meistern, öffnet sich Ihnen meist eine tiefere, intuitive Ebene Ihres Bewusstseins. In deutlichen und plastischen Traumbildern weist Ihr Unterbewusstes Sie auf Wünsche und Ängste, aber auch Ihre noch schlummernden Potentiale hin. Auch tagsüber empfangen Sie oft eine Flut von intuitiven Eingebungen, Ahnungen, die Sie zu einem erfüllteren Leben führen können. Es ist hilfreich, diese Impulse schriftlich oder in Bildern festzuhalten.

Auch auf der emotionalen Ebene kann während des Fastens Selbstheilung stattfinden. Nicht nur der Körper entschlackt, auch die Seele. Wut, Trauer, Schmerz, auch Freude, Mitgefühl und Liebe – die ganze Bandbreite menschlicher Gefühle kann Sie berühren. Vertrauen in den Prozess, eine gute Begleitung und geschützte Bedingungen sind sehr hilfreich, um die neue „Dünnhäutigkeit“ annehmen und ihren Wert schätzen zu lernen. Sie können auf diesem Abschnitt des Weges viel über sich lernen, alten Ballast loslassen und sich für eine neue, frische Begegnung mit dem Leben öffnen.

Doch auch hier endet die Reise nach Innen noch nicht. Wenn Sie die mentalen und emotionalen Wellen achtsam kommen und gehen lassen, offenbaren sich Ihnen auf einer sehr tiefen Ebene die Grundtriebe des Egos: Gier, Angst und der Wunsch nach Kontrolle. Sie erkennen eventuell, wie viele Entscheidungen Ihres Lebens diesen Kräften und nicht Ihrem authentischen SELBST entspringen. Dieser Konflikt ist die Wurzel unserer Süchte und destruktiven Verhaltensmuster und gleichzeitig finden Sie hier den Ansatz für wirkliche und dauerhafte positive Veränderung. Das klare Erkennen des Wirkens dieser Kräfte führt den Fastenden an die Schwelle einer existentiellen Hingabe. Die so genannten Fastenkrisen wandeln sich jetzt zu wertvollen Lektionen des Loslassens und der Demut. Als echte Erfahrung offenbart sich Ihnen, was Sie vielleicht lange vorher intellektuell begriffen hatten: Noch „mehr“ von irgendetwas, egal ob Anerkennung, Essen,.... macht Sie nicht glücklicher.

Das suchende Bewusstsein, im Alltag meist durch Wünsche und Aversionen gebunden, ist plötzlich frei, sich seiner Quelle zuzuwenden. Es erkennt, dass es selbst die grundlose Quelle aller Freude ist. Das oft ruhelose Wesen wird so still, dass das ICH BIN sich offenbaren kann. Dieses Wiedererkennen kann man nicht mit Worten beschreiben, darum sei mit dem Vers von Al-Gîlânî nur eine zarte Andeutung in den Raum gestellt:

„Dann kehrt der Pilger nach Hause zurück,
zurück zu seinem Ursprung...
Jenseits davon lässt sich nichts mehr berichten, denn jenseits davon ist das Nicht- Wahrnehmbare,
Nicht- Erfassbare, Nicht- Beschreibbare.“


Empfehlungen, um beim nächsten Fasten diese ganzheitliche Wirkungstiefe zu erreichen:

• Wenn möglich, nehmen Sie sich für die Zeit des Fastens frei.
• Fest eingehaltene Perioden des Schweigens.
• Ein Platz in schöner, gesunder Natur.
• Natürlich ist der Luxus eines Wellnesshotels angenehm, doch für die Reise nach innen ist eine schlichtere Umgebung mit weniger Ablenkung empfehlenswert.
• Eine sachkundige Fasteneinführung durch einen Lehrer oder ein Buch ist sehr, sehr wichtig. Ansonsten werden Sie mehr als nötig mit den Herausforderungen auf körperlicher Ebene beschäftigt sein.
• Fasten zu zweit oder in einer Gruppe erleichtert und unterstützt enorm.
• Wenn Sie im Alltag fasten: Planen Sie im Vorfeld möglichst viele Freiräume, gehen Sie regelmäßig in der Natur spazieren, schreiben Sie Tagebuch und gönnen Sie sich immer wieder kurze Zeiten der Stille und der Meditation.

Es ist für mich immer wieder ein erstaunliches Wunder, mit welcher Intelligenz Körper und Seele uns Schritt für Schritt durch den Selbstheilungsprozess des Fastens führen. Wenn Sie loslassen und dies geschehen lassen können, werden Sie mit stärkerem Vertrauen in das Leben aus dem Fasten zurückkehren. Darin liegt für mich das größte Geschenk.

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Veit Lindau
Psychotherapeutischer Heilpraktiker, leitet seit zehn Jahren ganzheitliche Fastenkurse in Stille, mit Konzentration auf den Bewusstseinsprozess beim Fasten.